
Und immer wieder die Insel. Immerzu erinnern sich in mir Einzelheiten: Wie ich im besagten Jahr im Januar in aller Frühe ankam. Bücher über die Insel hatte ich gelesen, Bilder gesehen von ihren Felsklippen, dem Meer, das sie umbrandete, und diese betäubende Bläue, als gälte es, ein Geheimnis zu bewahren; ich wusste von der Distanz zum Festland, das nah war, und doch fern blieb; von den Inselbewohnern.
Aus: Unterwegs zur Insel.

»Neunzig Prosaseiten nur, aber neunzig Seiten, die manch dicken Roman locker aufwiegen.«
(ganze Rezension hier lesen)
– Klaus Hübner
Tungjatjeta
Prosaszenen einer Jugend
(Erzählband)
Fremde ist überall – nur nicht in der Erinnerung an die großmütterliche Geborgenheit. Spuren führen ins Woher und Wohin: in die kosovo-albanische Herkunft, in die Verfangenheit einer zerstörerischen Beziehung, ins Unterwegssein zu einer erst imaginierten, dann wirklichen Insel. Unterwegs mit der Gefährtin namens Sprache – in ihrer Vielgestaltigkeit eine verlässliche Zeugin in der Entwicklung eines Mädchens, einer jungen Frau auf dem Weg zu ihrem Selbst. Ihr Ich droht sich zu verlieren, findet sich aber gerade durch diese Gefährdung.
Es begreift sich als ein Gebilde, das sich weiter und weiter erinnernd formt und dabei die Lebenswirklichkeit genau in den Blick nimmt, ob auf einem Velo über Land, in einem Boot auf einem Abhang, auf Irrgängen durch eine universitäre Kleinstadt oder auf Erkundungswegen auf einer entlegenen Insel. Indem dieses mehrsprachige Ich Prosaszenen seiner Jugend aufzeichnet, findet es zu seinem Ton. Was von ihm ausgeht? Der Ausdruck einer sanften Kraft und durch sie gefassten Leidensfähigkeit, die ihre genau gearbeiteten Sprachbilder hervorbringen.
Inhalt: Fisch im Fluß | Tungjatjeta | Unterwegs zur Insel | Auf der Fahrt | Um’s Leben laufen
Erschienen 2022. Verlag: Löcker (edition pen), Wien. 92 Seiten.
ISBN: 978-3-99098-120-7.

»Auch hier überzeugt Latifi mit der Schilderungskraft einer intensiven, komplexen und doch stets plastischen Sprache. Literarische Sprache: ein Instrument, das sie nicht nur wissenschaftlich erkundigt, sondern selber meisterlich handhabt.«
(Frutigländer, Nr. 68, 16/9/2022)